Der Schiedsrichter-Karle ist gegangen | Württembergischer Fußballverband e.V.

Ehmaliger DFB-Schiedsrichter verstorben.

Der Schiedsrichter-Karle ist gegangen

Mit Karl Gaus ist Donnerstagnacht ein Urgestein der Empfinger Kommunalpolitik und ein weithin bekannter Sportsmann nach längerer Krankheit im Alter von 85 Jahren gestorben
In Erinnerung bleibt Karl Gaus als ein Kommunalpolitiker, der 35 Jahre lang die Geschicke seines Heimatortes als Gemeinderat und Bürgermeister-Stellvertreter mitgeprägt hat, als ein Vereinsmensch, leidenschaftlicher Fußballfan und als Schiedsrichter-Legende. Er war ein geselliger, lebensbejahender Mensch, der gerne sang. Und wer einmal in fröhlicher Runde gesessen ist und ein lautes herzhaftes Lachen vernommen hat, der brauchte nicht lange überlegen, wem diese Stimme gehört: Dem Karle oder auch Schiedsrichter-Karle, wie er in Empfingen nur genannt wurde.
Die Kommunalpolitik und sein Fußball-Hobby hatten ihn geprägt. Seine kommunalpolitische Karriere fing Ende 1965 an, als er – gerade mal 29 Jahre alt – in den Gemeinderat gewählt wurde. 35 Jahre saß der Kommunalpolitiker ununterbrochen am Ratstisch, davon war er 24 Jahre Bürgermeister-Stellvertreter. Als Bürgermeister Reinhold Köhler überraschend verstarb, übernahm Gaus dessen Amtsgeschäfte bis zur Wahl von Albert Schindler.

Schiedsrichter aus Leidenschaft
Vor allem der Fußball war seine große Leidenschaft. Und dieses Hobby machte ihn weit über die Region seines Heimatortes bekannt. Als junger Bub spielte er eine kurze Zeit in der Jugendmannschaft der Sportgemeinschaft, ehe er 1955 begann das Spielgeschehen als Schiedsrichter zu dirigieren. Die große Karriere machte Gaus erst mit dem schwarzen Dress am Leib und mit der Pfeife im Mund: 1958 stieg er in die damalige 2. Amateurliga auf, zwei Jahre später in die 1. Amateurliga. Unter 46 Schiedsrichtern der 1. Amateurliga in Württemberg war er Jahrgangsbester und stieg damit in die 2. Bundesliga auf. 1974 wurde er zum DFB-Schiedsrichter ernannt.
Von 1974 bis 1980 leitete er zahlreiche Spiele in der 2. Bundesliga und war als Linienrichter in der 1. Bundesliga im Einsatz. Der Höhepunkt seiner Schiedsrichterkarriere war 1978 der Einsatz als Linienrichter bei dem Europapokal-Endspiel RSC Anderlecht gegen Austria Wien im Pariser Prinzenpark. Auch beim Europapokalspiel Genf – Bilbao 1977 und drei Jahre später beim Länderspiel Belgien – Polen stand er als Spielleiter an der Seitenlinie. Im Jahre 2001 beendete er seine Karriere als Schiedsrichter nach rund 1800 Spielen. Karl Gaus war stellvertretender Vorsitzender des Bezirks Nördlicher Schwarzwald und einige Jahre Schiedsrichter-Obmann, er gehörte 14 Jahre dem Schiedsrichter-Lehrstab des Württembergischen Fußballverbandes an, war Staffelleiter und auch Kassier des Fußballbezirks.
Sein Pflichtprogramm im Fernsehen waren die Bundesligaspiele oder die internationalen Begegnungen. Wenn es seine Zeit zuließ, schaute er sich die Fußballspiele der SG Empfingen an. Aber nur so lange, wie sie „ordentlich“ kickten. Denn das Ehrenmitglied der Sportgemeinschaft war ein kritischer Beobachter des Geschehens auf dem Rasen. Bei der Sportgemeinschaft engagierte er sich zudem als Schriftführer und jahrzehntelang im Ausschuss.

Zahlreiche Auszeichnungen
Karl Gaus wurde mit zahlreichen Ehrungen bedacht: Die Schiedsrichter-Ehrennadel und die Verbands-Ehrennadeln des Württembergischen Fußballverbands in Bronze, Silber und Gold sowie die Verdienstmedaille in Gold. Auf die DFB-Verdienstnadel und die Ehrennadel des Württembergischen Landessportbunds in Gold war er ganz besonders stolz.
Herausragend für den gerade mal 60-Jährigen war die Verleihung des Bundesverdienstkreuz am Bande im Jahr 1996 durch Landrat Gerhard Mauer. Bei der Verleihung sagte Bürgermeister Albert Schindler, dass Karl Gaus durch seine Vereinsarbeit in der Sportgemeinschaft und im Männergesangverein sowie durch sein kommunalpolitisches Engagement zu einer „tragenden Säule des öffentlichen Lebens“ wurde. Im Jahr 1987 bekam er die Landesehrennadel ans Revers geheftet, und beim Neujahrsempfang der Gemeinde im Jahr 2000 erhielt er für sein kommunalpolitisches Engagement die Goldene Ehrennadel des Gemeindetages Baden-Württemberg durch Bürgermeister Albert Schindler überreicht.

Reporter mit Leib und Seele
Eine weitere große Leidenschaft war seine Tätigkeit als Freier Mitarbeiter des Schwarzwälder Boten. Gaus war ab 1966 viele Jahrzehnte Hauptberichterstatter aus der Gemeinde. Er galt als ein sehr akribisch und diszipliniert arbeitender Mitarbeiter, der gerne in der Redaktion vorbeischaute. Die Präsentation des Empfinger Vereinslebens in Wort und Bild war ihm wichtig. Als Gemeinderat mit dem Wissen von Interna und gleichzeitig als Pressemitarbeiter konnte er die notwendige Distanz wahren. 2019 beendete er seine Tätigkeit als Freier Mitarbeiter.
Der am 29. September 1936 in Empfingen geborene Gaus wuchs mit seinen beiden Schwestern Elisabeth und Anna Maria auf. Nach dem Besuch der Volksschule begann er 1951 eine kaufmännische Lehre in Horb und schaffte von 1954 bis 1962 als kaufmännischer Angestellter bei der Buntweberei in Sulz. Danach nahm er als Verwaltungsangestellter bei der Stadt Sulz eine Beschäftigung auf. Viele Jahre war er kaufmännischer Leiter der städtischen Wasserwerke und kaufmännischer Geschäftsführer der Stromversorgung Sulz. Im Jahr 1999 ging er in den Ruhestand.

Starker Rückhalt aus der Familie
Nicht nur einmal hob Karl Gaus hervor, dass solch ein umtriebiges Engagement nicht ohne den Rückhalt der Familie – mit den Töchtern Monika und Ulrike – und vor allem von seiner Frau Pia, die aus Wiesenstetten stammt und die er 1965 geheiratet hatte, möglich gewesen wäre. Große Freude hatte Gaus an seinen vier Enkelsöhnen.
Zu einem gerne ausgeübten Steckenpferd wurde das Singen im Männergesangverein „Liederkranz“. Seit 1957 lieh er dem Männerchor sein Stimme. 2017 durfte der Träger der Ehrennadel des Deutschen Sängerbunds das 60-jährige Sängerjubiläum feiern.
Ein großes Anliegen war ihm auch die Partnerschaft mit La Roche Blanche, die er von Anfang an gefördert hatte. Er konnte kein Wort auf Französisch und entwickelte sich trotzdem zum Frankreich-Fan. Viele Freundschaften sind entstanden, vor allem mit Christiane und Guy Martigny, die immer bei der Familie Gaus zu Gast waren und bei denen er und seine Frau Pia auch in La Roche Blanche die Gastfreundschaft in Anspruch nehmen durften.
In den letzten drei Jahren bekam er zunehmend gesundheitliche Probleme, die sich zuletzt verschlimmerten. Donnerstagnacht ist Karl Gaus friedlich zu Hause eingeschlafen. Die Trauerfeier auf dem Empfinger Friedhof ist am Freitag um 14 Uhr.