Uli’s Doppelpass - „Kleiner verrückter Japaner“ | Württembergischer Fußballverband e.V.

Uli’s Doppelpass – „Kleiner verrückter Japaner“

Shinya Kobachi spricht in einem Online-Vortrag an der Universität in der japanischen Großstadt Osaka über seine Zeit in Deutschland – Fußball inklusive.

Als Shinya Kobachi kurz nach der Jahrtausendwende nach Deutschland kam, da war für ihn nahezu alles fremd: die Sprache, die Kultur, die manchmal seltsamen Gewohnheiten der Schwaben sowieso. Doch kaum hier angekommen zeigte der heute 47-Jährige, dass ihm der Umgang mit dem Ball überhaupt keine Schwierigkeiten macht. Im Gegenteil. „Dass der besser kicken kann als viele andere, das hat man sofort gesehen“, erinnert sich Alexander Kramer, seinerzeit Vorsitzender der SG Ahldorf-Mühlen, wo Kobachi seine sportliche Heimat gefunden hat und anfangs sogar kurzzeitig im Ahldorfer Sportheim gewohnt hatte. Kaum auf dem Platz sorgte Kobachi allerdings für einen der größten „Skandale“, den der hiesige Bezirk jemals hatte. Ahldorf- Mühlens Fußballchef erinnert sich noch genau, wie es dazu gekommen ist: Weil er und die SG mit internationalen Transfers ziemlich unerfahren waren und auch beim Württembergischen Fußballverband (WFV) keine genauen Infos zu erhalten waren, wandte sich Kramer an den Deutschen Fußballbund (DFB). Von dort erhielt er die Auskunft, man solle für Kobachi eine erstmalige Spielerlaubnis beantragen, und damit sei die Sache erledigt. War sie aber nicht: Kobachi machte drei Spiele für seine SG (alle wurden gewonnen), da kam Post vom DFB, mit dem Hinweis, dass der Weltfußballverband (FIFA) recherchiert und herausgefunden habe, dass Kobachi schon einmal für ein japanisches College-Team eine Spielberechtigung hatte. Deshalb sei die erteilte Spielgenehmigung nicht korrekt und für Ahldorf-Mühlen wurde in erster Instanz alle drei mit Kobachi gewonnenen Spiele als verloren gewertet.

Dass der besser kicken kann als viele andere, das hat man sofort gesehen.

Ahldorf-Mühlens Fußballchef Alexander Kramer über Shinya Kobachi

Ahldorf-Mühlen verstand die Welt nicht mehr: „Wir haben uns auf die Aussage des DFB verlassen und konnten nicht nachvollziehen, warum wir als kleiner Verein, plötzlich für etwas bestraft wurden, für das wir gar nichts konnten“, erinnert sich Kramer. Schlimmer noch: Die Urteile sorgten innerhalb der Liga (Ahldorf-Mühlen spielte damals in der Kreisliga A2) für ein Kuriosum: Denn die eigentlich als Meister feststehenden Kicker des SV Baisingen waren plötzlich nur noch Zweiter, während die SG Rohrdorf-Eckenweiler Nutznießer gewesen wäre und auf Platz eins gespült
wurde. Weil Ahldorf-Mühlen allerdings in die Berufung ging, siegte schlussendlich doch noch die Gerechtigkeit. In einem in zweiter Instanz angesetzten Wiederholungsspiel schlug die SG den Kontrahenten Rohrdorf-Eckenweiler erneut, womit Baisingen dann doch noch Meisterschaft und Aufstieg feiern konnte.

Jetzt aber in die Gegenwart: Shinya Kobachi lebt seither rund 20 Jahre in Deutschland. Er kennt mittlerweile Land und Leute, kennt die Sprache und  ist auch im Schwäbischen („ist eine ganz komische Sprache“) durchaus zu Hause. Mit seiner Frau Shoko ist Kobachi seit 2005 verheiratet. Zusammen mit den beiden Kindern Nami (13) und Kento (8) wohnt die Familie in Steinenbronn. In und um Ahldorf sieht man Kobachis auch immer mal wieder. Zuletzt als Ahldorf-Mühlen in der Zeit vor Corona zu einem Kleinfeldturnier geladen hatte und sozusagen als eine Pflichtveranstaltung:
Bei der Schlachtplatte im Sportheim. Überhaupt hat es Kobachi („Fisch mag ich eigentlich gar nicht so“) mit der schwäbischen Küche. Als er nach Ahldorf kam, habe sein einstiger Ziehvater Karle Seifert zu ihm gesagt, was wirklich wichtig ist und was er unbedingt kennen müsse: „Maultaschen,
Kartoffelsalat und Rostbraten mit Spätzle und viel Soße“. Ein weiterer Begriff, der sich ganz schnell in Kobachis Sprachschatz eingebürgert hat, war „dritte Halbzeit“. Das sei immer das Beste am Fußballspiel, sagt der „kleine verrückte Japaner“, wie sich der nur 170 Zentimeter große Asiate selbst immer wieder nennt. Genau so präsent wie als Fußballer auf dem Platz war Kobachi auch, wenn‘s nach dem Spiel darum ging den Flüssigkeitsverlust auszugleichen und mit Gegnern und Mitspielern das Spiel noch einmal genauestens zu erörtern. Kobachis persönliches Highlight
war in der Hinsicht das SÜDWEST-PRESSE Auswahlspiel im Jahre 2003 in Hallwangen. Als erster und einziger Japaner wurde er für den Klassiker „Kreisliga A2 – Kreisliga A1“ nominiert. Unter anderem deshalb, weil er in der Spielzeit 2002/2003 einen nie mehr gebrochenen Rekord aufstellte
und fünfmal in Folge in der „Mannschaft des Tages“ in dieser Zeitung nominiert war. „Auswahlspiel in Hallwangen war super – und dritte Halbzeit ganz besonders“, sagt Kobachi rückblickend. Alle diese Geschichten und viele weitere Anekdoten hat der 47- Jährige nun in einem Online-Vortrag
an der Uni der 2,7 Millionenstadt Osaka in Japan erzählt. Ein mit ihm seit 30 Jahren befreundeter Professor jener Universität hat Kobachi gefragt, ob er nicht einmal einen etwas anderen Vortrag halten wolle über seine mittlerweile 20 Jahre in Deutschland. Kobachi, der beruflich in der Deutschlandvertretung des japanischen Werkzeugherstellers „OSG“ in Göppingen als „Customer Service Manager“ (Leiter Vertriebsinnendienst) tätig ist, nahm die Einladung gerne an. Den Zuhörern, vorwiegend japanische Studenten, habe sein Vortrag offensichtlich ganz gut gefallen, sagt
Kobachi im Nachgang. „Es war etwas anstrengend, aber auch für mich eine sehr interessante Stunde“, sagt Kobachi. Über Umwege landete der Vortrag auch in der japanischen Zeitung „NIPPONip“, bezeichnenderweise in der Rubrik „Verrückt nach Fußball“. Das Magazin erscheint viermal jährlich und ist das beliebteste „Freepaper“ in japanischer Sprache unter den in Deutschland, Österreich und den Niederlanden lebenden Japanern.
Dort abgebildet ist unter anderem ein Mannschaftsfoto des 2003er- Auswahlspiels mit dem damals 29-jährigen Kobachi.

Probetraining für Kobachis Sohn Kento

Wer ihn schon einmal spielen gesehen hat, der merkt sofort: Das fußballerische Talent hat er von seinem Papa geerbt. Shinya Kobachis Sohn Kento, 9 Jahre alt, spielt in der U10 beim TV Echterdingen. Kento tut allerdings alles dafür, um sich auch für höhere Aufgaben zu empfehlen. Während Corona hielt er sich mit Partnertraining beim SSC Tübingen fit. Vergangene Woche war Kento zum Probetraining bei den Stuttgarter Kickers  eingeladen. „Die anderen Kinder waren ihm einfach körperlich überlegen. In Drucksituationen konnte er sich kaum durchsetzen. Er hat trotzdem versucht, die Situationen gut zu lösen, aber leider hat es nicht gereicht. Schade, aber er hat eine schöne Erfahrung gesammelt“, erzählt Papa Kobachi trotzdem voller Stolz.

Quelle: neckarchronik Autor ULI BERNHARD