Schiedsrichter-Obmann Markus Teufel spricht über die Schiri-Misere. Er vermisst vor allem Wertschätzung für die Unparteiischen.
„Der Spielbetrieb ist akut gefährdet“
Neckar-Chronik – Mittwochs-Interview (Sascha Eggebrecht)
NECKAR-CHRONIK: Herr Teufel, frohe Kunde: Insgesamt gibt es laut DFB dieses Jahr 2800 aktive Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter mehr als zuvor. Demnach herrscht helle Begeisterung bei Ihnen?
Markus Teufel: 2800? Woher kommen diese Zahlen her, denn im Bezirk kann ich so einen starken Zuwachs nicht verzeichnen. Mit unseren aktuellen Neulingskursen schaffen wir es gerade, die Schiedsrichter zu ersetzen, die aufhören.
Was sind die Gründe?
Die Gründe zum Aufhören sind sehr vielfältig. Es geht von Interesselosigkeit über Studium/Ausbildung. Aber, was uns deutlich mehr schmerzt, ist, dass sich unsere Senioren (Anmerkung der Redaktion: Schiris älter als 60 Jahre) vermehrt in den Schiri-Ruhestand verabschieden, so dass wir vier neue Schiedsrichter brauchen, um einen älteren Kameraden zu ersetzen, da gerade unsere älteren Kameraden deutlich mehr als die Mindestanzahl (Anm. d. Redaktion: 15 Spiele) pro Saison gepfiffen haben.
Warum ist dieser Trend nicht im Bezirk Nördlicher Schwarzwald angekommen?
Gute Frage, die sich nicht so pauschal beantworten lässt. Ich denke, ein Aspekt ist, dass wir uns im Ländlichen Raum befinden und dadurch weniger Interessierte zur Verfügung stehen und alle um dieselbe wertvolle Ressource „Ehrenamt“ konkurrieren und das Schiedsrichteramt dabei leider ganz unten in der Beliebtheitsskala ist.
Ein neuer Neulingskurs wird auch gerade wieder vorbereitet. Sind Sie in diesem Bereich denn wenigstens zufrieden – sprich liegen schon genügend Anmeldezahlen vor?
Nein aktuell sind wir mit den Anmeldezahlen nicht zufrieden. Gegenwärtig haben sich nur zwei Teilnehmer aus unserem Bezirk angemeldet, obwohl wir auf diversen Kommunikationskanälen wie Social Media, Homepage als auch auf Events – wie beim Stadtteilpokaltunier – in den Vereinen und dem Vereinsdialog persönlich über das Schiedsrichterwesen referiert und informiert haben. Leider sind noch nicht alle aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht, sprich, dass der Spielbetrieb akut gefährdet ist. Trotz der aktuellen schwachen Rückmeldung und der Zurückhaltung der Vereine werden wir im Juni einen zweiten Vereinsdialog anbieten, um mit den Vereinen in Kontakt zu treten, sowie um gemeinsame Lösungsansätze zu definieren.
Diese Zahlen sind ja auch erschreckend. Wie viele Schiedsrichter gibt es denn überhaupt noch in der Gruppe?
150 Schiedsrichter stehen auf der aktuellen Liste, ich gehe von einer Anrechenbarkeit von ca. 120 bis 130 Schiedsrichter am Ende der Runde aus.
Können denn überhaupt noch Woche für Woche alle Spiele besetzt werden?
Nein, die ersten Wochenende – besonders im A- und B-Jugendbereich – konnten die Partie nicht mehr besetzt werden, dieser Trend setzt sich fort. Im Aktiven-Spielbetrieb beginnt die Misere jetzt.
Zuletzt wurde die Aufwandsentschädigung der Schiedsrichter etwas erhöht. Können mit dieser Aktion neue Schiedsrichter gelockt werden?
Die Erhöhung ist eine gute Maßnahme, jedoch wird nicht der Ursprung bekämpft, nämlich die fehlende Wertschätzung und Respekt für den Schiedsrichter. Oftmals werden die „Schwarzkittel“ noch als Freiwild angesehen. Dies wurde gerade durch den Fall in Herzogsweiler eindrucksvoll bewiesen. Wir Schiedsrichter sind nicht perfekt und machen auch Fehler, aber dies ist keine Legitimation, um eine „Hetzjagd“ zu starten. Denn ganz ehrlich, niemand spricht über die zig Fehlpässe oder vergebenen Torchancen der Mannschaften.
Zumal die Erhöhung der Sätze ja doch sehr gering waren. Ein Verbandsliga-Schiedsrichter erhält statt 60 Euro nun 65 Euro. Welcher Betrag wäre, Ihrer Meinung nach, angemessen?
Jnein. Ein Schiedsrichter der Verbandsliga pfeift in der höchsten Amateurliga im WFV-Gebiet. In dieser Liga sind hoffnungsvolle Talente im Einsatz, die nicht durch Geld motiviert werden, sondern primär, durch den Anreiz weiter nach oben zu kommen. Die 5 Euro mehr sind ein nettes Schmankerl, jedoch wäre eine stärkere Erhöhung gerechtfertigt gewesen, da diese Schiedsrichter 8 bis 10 Stunden am Spieltag im Einsatz sind.
Die Verantwortlichen feiern dagegen diese Erhöhung und sagen, nun erhalten die Schiedsrichter die nötige Wertschätzung. Wie stehen Sie zu dieser Äußerung?
In meinen Augen drückt man Wertschätzung nicht durch materielle Dinge, wie eine Spesenerhöhung aus, sondern durch die respektvolle und wertschätzende Interaktion im Miteinander wie zum Beispiel saubere Kabine, freundliche Begrüßung, Lob und Anerkennung für eine gute Schiedsrichterleistung.
Noch ein Wort zur Zusammenführung der beiden Bezirke Nördlicher Schwarzwald und Calw. Können beide Schiedsrichtergruppen von der Fusion profitieren?
Natürlich, wir arbeiten jetzt schon hervorragend mit der SRG Calw und dem Obmann Benny Haug zusammen, hier können wir gegenseitig profitieren mit Austausch von Spielen, Schiedsrichter, gemeinsamen Lehrgängen und gemeinsamen Veranstaltungen.
Können Sie abschließend folgenden Satz vervollständigen: Fußball ohne Schiri ist wie …
… Maultaschen ohne Kartoffelsalat.