Schiedsrichterin Klara Zinsmayer
Was Tuttlingens einzige Schiedsrichterin alles erlebt
Sie ist jung und die einzige Schiedsrichterin im Landkreis Tuttlingen. Klara Zinsmayer erzählt von ihrem ersten Jahr als Frau an der Pfeife.
Klara Zinsmayer ist zwar noch neu, was die Schiedsrichterei betrifft, trotzdem hat die 19-Jährige in ihrem ersten Jahr nach der Ausbildung zur Unparteiischen bereits viel auf den Fußballplätzen der Region erlebt. Im Interview erzählt die Tuttlingerin von nettem Feedback, alten männlichen Vorurteilen und tollen Momenten auf und neben dem Platz.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Schiedsrichterin zu werden?
Fußball habe ich schon vorher gespielt. Und ich hatte überlegt, beide Scheine zu machen: den Schiedsrichterschein und den Trainerschein. Aber durch eine Knieverletzung hat das Training gefehlt, so habe ich mich dann für den Schiedsrichterschein entschieden.
Werden Sie noch weiter Fußball spielen oder beschränken Sie sich jetzt auf das Schiedsrichterwesen?
Nein, ich habe schon vor, wieder richtig Fußball im Verein zu spielen. Ich beginne zum Wintersemester mein Lehramtsstudium in Freiburg. Da muss ich mir dann einen Verein suchen.
Wie war Ihr erstes Mal als Schiedsrichterin auf dem Platz?
Das erste Spiel war ganz gut. Also man ist ja nicht alleine auf dem Platz, da sind ja immer Beobachter dabei. Bei mir war es Theresa Hug, selber Schiedsrichterin in der Frauenbundesliga und 2. Bundesliga bei den Herren. Und die Rückmeldung war eigentlich immer, du siehst alles gut. Und auf dem Platz, klar, ist man erstmal unsicher, man entscheidet was.
Ich versuche immer so zu pfeifen, wie ich gern gewollt hätte, dass Schiedsrichter pfeifen sollten.
Klara Zinsmayer
Es sind viele Entscheidungen, die man treffen muss. Jeder Pfiff ist eine Entscheidung. Man wird mit jedem Spiel sicherer. Und es hilft, selbst Fußball gespielt zu haben, damit man Situationen richtig bewerten kann. Ich versuche immer so zu pfeifen, wie ich gern gewollt hätte, dass Schiedsrichter pfeifen sollten.
Wovor hatten Sie den größten Respekt?
Ich glaube, ich hatte wirklich Respekt davor, was von außen kommt, wie ich respektiert werde. Im Jugendbereich sind die Kinder im C-, D-, E-Jugendbereich noch nicht so angriffslustig wie jetzt bei meinem ersten A-Jugendspiel. Da kommt dann immer was von außen. Wenn es mir zu viel wird, gehe ich zur Bank und kläre das. Aber gegen Zuschauer kann ich nicht viel ausrichten. Deswegen ignoriere ich die. Wenn ich im Spiel bin und pfeife, bin ich in meinem Tunnel.
Wie sehen Sie die neue Kapitänsregel, dass nur noch Spielführer beim Schiedsrichter protestieren dürfen? Das dürfte Ihnen dabei helfen, dass mehr Ruhe auf dem Platz herrscht?
Ja, definitiv. Ich habe noch nie etwas Negatives gehört, selbst von Zuschauern nicht. Das hat bei der EM schon gut funktioniert, keine Rudelbildung. Ich finde die Regel gut.
Wenn Sie Ihre erste Saison Revue passieren lassen, was war die schönste Rückmeldung und welche Erfahrung war nicht so schön?
Es gab eigentlich viele schöne Rückmeldungen. Ich weiß noch, als einmal ein kleines Kind zu mir gesagt hat: „Ich mag dich! Du bist eine gute Schiedsrichterin!“ Ich glaube, das ist das Ehrlichste. Nicht so schön war, als mir bei einem Spiel mein Freund zugeguckt hat, weil ich in seinem Verein die B-Jugend gepfiffen habe. Er hat da mitbekommen, wie Zuschauer hinter seinem Rücken Dinge gesagt haben wie: „Kann eine Frau so was überhaupt pfeifen?“ Sowas ist nicht schön.
Manchmal muss man aber durchgreifen, auch mit Karten, und nach außen zeigen, wo die Linie ist.
Klara Zinsmayer
Diese Vorurteile halten sich scheinbar immer noch. Wie gehen Sie damit um?
Ja, es kommt noch vor, auch wenn mir so etwas noch niemand ins Gesicht gesagt hat. Ich bin bei uns im Kreis die einzige aktive Schiedsrichterin. Wenn ich auftauche, ist immer die erste Reaktion: „Ah, eine Schiedsrichterin, okay …“. Aber das geht dann schnell ins normale Spielgeschehen über. Auf dem Platz ist es denen dann ziemlich egal, wer pfeift.
Was war Ihr schlimmstes Spiel?
Es gab immer Gutes und Schlechtes in meinen Spielen, wo ich noch was lernen konnte. Kurz vor Ende der Winterpause habe ich in Tuttlingen mein erstes B-Jugendspiel gepfiffen. Da kam ich nicht richtig ins Spiel. Aber mir haben zwei Schiedsrichterkollegen zugeguckt, die konnten mir klar benennen, was ich tun muss. Aus Schiedsrichtersicht hätte ich ein paar Mal mehr härter durchgreifen müssen, dann wäre es besser gelaufen. Aber dafür sind Freundschaftsspiele da – zum Lernen.
Was nehmen Sie mit aus der ersten Saison? Was wollen Sie besser machen?
Die Kommunikation mit den Spielern ist teilweise ganz gut. Manchmal muss man aber durchgreifen, auch mit Karten, und nach außen zeigen, wo die Linie ist. Was auch eher schiedsrichterspezifisch ist, ist der Pfiff. Wann wie gepfiffen wird. Nicht einfach nur ein einheitliches Reinpfeifen, sondern manchmal stärker, manchmal nur einen kurzen oder langen Pfiff. Das wird von Spiel zu Spiel besser.
Als welchen Typ Schiedsrichterin würden Sie sich bezeichnen?
Man kann mit mir reden, auch was die Karten angeht. Dann gehe ich zum zweiten Mal hin, beim dritten Mal wäre dann die Karte fällig. Das kenne ich selbst als Verteidigerin. Das hilft manchmal, eine offene Kommunikation mit den Spielern zu haben. Ich erkläre immer gern alles, solange ich nicht angeschrien werde. Solange das auf Augenhöhe ist, kann ich alles anschaulich erklären.
Stichwort Eltern. Sind die bei den Spielen ein Problem gewesen in dieser Saison?
Doch, doch, das gab es schon. Wobei ich mit dem Schlimmsten gerechnet habe und es dann irgendwie doch netter war. Gerade nach oder vor dem Spiel bekomme ich das Meiste mit. Während des Spiels kriege ich das nicht mit.
Würden Sie interessierten jungen Frauen raten, auch Schiedsrichterin zu werden?
Das ist ein bisschen der Grund, warum ich Schiedsrichterin geworden bin. Mir haben teilweise die Vorbilder gefehlt. Aber wir haben im Frauenfußball einen Schritt getan, auch wenn es noch nicht das Ende des Weges ist. Da geht aber definitiv noch mehr. Man braucht da keine Angst zu haben. Es gab und es gibt immer Vorfälle und Kommentare. Aber es ist mittlerweile wirklich eher so – und das hat mich dann auch positiv überrascht -, dass Aussagen kommen wie: „Schön, endlich mal eine Frau!“
Welche fußballerischen Vorbilder haben Sie?
Ich gucke gern der Französin Stéphanie Frappart zu, die auch in der Champions League der Männer pfeift. Und bei den Fußballerinnen finde ich Klara Bühl, aber in der Verteidigung Lena Oberdorf ganz gut.
Quelle: David Zapp (schwäbische)
Foto: David Zapp