Gesichter des Frauenfußballs: Anne Schmieder | Württembergischer Fußballverband e.V.

Interview

Gesichter des Frauenfußballs: Anne Schmieder

Der 31. Oktober 1970 markiert einen Meilenstein in der Geschichte des deutschen Frauenfußballs. An dem Tag wurde dieser vom Deutschen Fußball-Bund offiziell in seine Satzung aufgenommen. Seitdem sind 50 Jahre vergangen. Fünf Jahrzehnte, in denen zahlreiche Persönlichkeiten den Weg bereitet haben. Sie haben sich gegen Widerstände durchgesetzt, motiviert, gestaltet und inspiriert – damals wie heute. Zum Jubiläum rücken wir prägende Persönlichkeiten des Frauenfußballs in Württemberg in den Fokus.

Saskia Schaborak: Wann und wie begann Ihre Zeit als Sportfunktionärin?

Anne Schmieder: Ich war gerade am Unkraut jäten, als ich im Jahr 1977 gefragt wurde, ob ich mir vorstellen kann die Funktion der Kassiererin des SV Blitzenreute, einem Mehrspartenverein mit dem Schwerpunkt Fußball, zu übernehmen. Ich willigte ein und später wurde ich dann sogar zur ersten Vorsitzenden jenes Mehrspartenvereins gewählt, was damals als Frau ziemlich ungewöhnlich war. Ich stand somit nicht nur am Spielfeldrand, sondern durfte aktiv im Verein mitwirken, was in den 80er-Jahren für eine Frau nicht selbstverständlich war. Ich entschied mich dann schnell für die Bereiche Führung und Organisation und so nahm meine Reise als kämpferische Sportfunktionärin und Pionierin ihren Lauf.

Saskia Schaborak: In welchen Gremien waren Sie dann im Laufe der Zeit tätig und was waren Ihre Aufgaben?

Anne Schmieder: Meine Reise ging weiter in den Sportkreis Ravensburg, dann zum Württembergischen Landessportbund und anschließend zum Württembergischen Fußballverband. Beim wfv zählte zu meinen Aufgaben die Weiterentwicklung des Mädchen- und Frauenfußballs, genauer gesagt sollten mehr Frauen in die Vereinsverantwortung eingebunden und Freizeitangebote für Frauen angeboten werden. Weiterhin durfte ich meine Kompetenzen beim Süddeutschen Fußballverband und auch auf höherer Ebene im Frauen- und Freizeitsport Ausschuss des Deutschen Fußball-Bundes einbringen. Darüber hinaus durfte ich die württembergische Frauen-Auswahlmannschaft auf ihren Reisen begleiten und war Delegationsmitglied der Frauen-Nationalmannschaft. Somit durfte ich zum einen viele Vereine und deren Mitarbeiter kennenlernen, als auch bei den Reisen ferne Länder erkunden. Sehr vielfältig also.

Saskia Schaborak: Welche Widerstände und Probleme sind Ihnen während dieser Zeit begegnet?

Anne Schmieder: Die früheren Zeiten waren stark geprägt von Abneigung gegenüber neuen Ideen als auch dem Frauenfußball als solches. Somit mussten wir immer wieder mit Rückschlägen umgehen. Das Erreichen von Zielen erforderte Durchsetzungsvermögen und vor allem Überzeugungsarbeit. Schon damals versuchte ich, den VfL Sindelfingen innerhalb des VfB Stuttgart zu integrieren. Trotz aller Bemühungen scheiterte mein Vorhaben an den Verantwortlichen mit der Begründung „Jetzt nicht, wir haben andere Probleme!“ Und dies ist nur ein Beispiel.

Saskia Schaborak: Gibt es Punkte, die Sie während Ihrer Funktionärslaufbahn umsetzen konnten und auf die Sie heute noch stolz sind?

Anne Schmieder: Ein großer Erfolg für mich war definitiv die Einführung der 2. Frauen-Bundesliga 2004. Dazu zählt ebenso die erfolgreiche Umsetzung, dass Mädchen bei Jungenmannschaften in der Altersklasse B mitspielen durften. Ein wichtiger Meilenstein war natürlich der Weltmeistertitel 2003 der Deutschen Frauen-Nationalmannschaft in Los Angeles. Von da an entwickelte sich der Mädchen-und Frauenfußball steil nach oben. Während dieser Zeit entstanden bei den Länderspielreisen viele Freundschaften, unter anderem mit den Bundestrainerinnen Tina Theune-Meyer und Silvia Neid. Darüber hinaus durfte ich Fußballgrößen wie Nadine Angerer, Birgit Prinz und viele weitere kennenlernen und begleiten. Ebenso schaue ich aber auch mit großer Anerkennung auf die Arbeit der vielen kleineren Vereine zurück, welche sich enorm entwickelt haben. Manche entwickelten sich sogar zu Bundesligavereine oder haben Nationalspielerinnen in ihren Reihen ausgebildet. Dafür hat sich das alles doch gelohnt!

Saskia Schaborak: Was sind Ihre Wünsche für den weiblichen Fußball für die nächsten 50 Jahre?

Anne Schmieder: Für die nächsten 50 Jahre wünsche ich mir, dass weiterhin zahlreiche Frauen mit viel Begeisterung und vor allem Mut in den Vereinen mitwirken und mitgestalten. Die Frauen sollten hier den ersten Schritt machen und sich trauen ihre Wünsche auch in der Führungsebene einzubringen und dort mitzuwirken, um die Weichen für die Zukunft zu stellen. Auf der anderen Seite gehört hier aber natürlich auch dazu, dass dieses den Frauen auch ermöglicht wird und erkannt wird, wie wertvoll diese Diversität für alle Seiten ist. Insgesamt hoffe ich, dass der Wert des Ehrenamts für die Gesellschaft als auch für jeden Einzelnen noch sichtbarer wird. Denn jede Tätigkeit im Ehrenamt kann beruflich, als auch privat sehr bereichernd sein.