Interview
Knut Kircher spricht über den Status Quo des Ehrenamts im wfv
Knut Kircher war einer der besten Fußballschiedsrichter Deutschlands. Als Ehrenamtsbeauftragter ist er Teil des wfv-Vorstands und setzt sich für die Belange der Ehrenamtlichen im württembergischen Fußball ein. Im Interview spricht Knut Kircher über den Status Quo des Ehrenamts in Württemberg, die besonderen Herausforderungen durch Corona sowie die Gewalt auf Fußballplätzen.
Herr Kircher, laut einer Umfrage von FuPa.net mit 3.500 Teilnehmenden in ganz Deutschland wird als größtes Problem des Amateurfußballs aktuell nicht Corona, sondern „zu wenig Ehrenamtliche“ genannt – teilen Sie diese Sorge?
„Wir freuen uns über die vielen Ehrenamtlichen im Fußball aktuell und ich freue mich persönlich und wir uns als Verband, welch hingebungsvolle, zeitintensive Arbeit in den Vereinen geleistet wird. Die ehrenamtliche Vereinsstruktur in Deutschland ist weltweit einzigartig und aktuell zeigt die Info-Kampagne „Der wertvollste Kader der Welt“ eine Wertschöpfung unseres Ehrenamts im deutschen Amateurfußball von 13,9 Mrd. Euro auf. Dennoch dürfen gerne noch mehr Freiwillige den Weg in unsere Vereine finden. Wir haben nach der Corona-Pandemie große Aufgaben zu bewältigen, gerade auch im Bereich des Kinder- und Jugendfußballs.“
Was sind Ihrer Erfahrung nach die größten Herausforderungen bei der Gewinnung von Ehrenamtlichen?
„Auch die Gewinnung von Ehrenamtlichen lebt vom persönlichen Kontakt, den wir derzeit nicht haben, vom lockeren Erstgespräch über das „Einfach-mal-mitmachen-Angebot“ bis hin zum gezielten Einsatz unter Beachtung der jeweiligen persönlichen Stärken. Gleichzeitig denke ich aber auch, dass wir in den Vereinen umdenken müssen. Wir werden zukünftig immer weniger Langzeit-Ehrenamtliche sehen. Wir müssen uns viel mehr darauf einstellen, dass es Freiwillige geben wird, die sich über eine kürzere Zeit hinweg engagieren und dabei einen begrenzten Aufgabenbereich übernehmen. Wir brauchen also mehr Ehrenamtliche, um das gleiche Pensum zu bewältigen. Hinzu kommt, dass sich unsere Vereine im Wettbewerb um Ehrenamtliche zwischenzeitlich attraktiv präsentieren müssen.“
Beim Thema Wertschätzung ist der wfv mit vielen Aktionen wie dem Ehrenamtspreis stark engagiert. Gibt es trotzdem noch Verbesserungspotenzial, was die „Bestandspflege“ angeht?
„Wir sind mit dem Vereins-Ehrenamtspreis gut aufgestellt; ein solches Format der Wertschätzung für das Ehrenamt gibt es nur bei uns. Dennoch bin ich mir sicher, dass wir darüber hinaus ganz viele Vereine haben, die einen großartigen Job machen und sich dabei zu schlecht öffentlich präsentieren. Hoffentlich trauen sich nach diesem Aufruf noch mehr Vereine zu zeigen, was sie Herausragendes leisten!
Mit dem DFB-Ehrenamtspreis würdigen wir besondere Persönlichkeiten, und bedanken uns für ihr ehrenamtliches Engagement. Es ist keinesfalls selbstverständlich, was sie für unsere Vereine leisten. Ein lautes „Dankeschön“ haben sie mehr als verdient!
Noch wichtiger, als Wertschätzung auszudrücken, ist es für uns als Verband aber gute Arbeitsbedingungen für ehrenamtliche Vereinsmitarbeiter zu schaffen. Mit dem DFBnet und FUSSBALL.DE haben wir im Fußball eine ideale Vernetzung geschaffen. Darüber hinaus bieten wir eine sehr breite Palette an Informations- und Bildungs-Angeboten mit sehr niederschwelligem Zugang. In diesem Bereich haben wir uns gerade im vergangenen halben Jahr sehr gut entwickelt. Wir werden in diesen Bemühungen nicht nachlassen. Für mich persönlich und für unseren Verband bleibt das eine Herzensangelegenheit!“
Anders gefragt: Wie kann sich der Fußball bzw. der wfv im Vergleich zu anderen Sportarten/Verbänden, die vor ähnlichen demographischen Herausforderungen stehen, behaupten?
„Der Fußball lebt wie alle Lebensbereiche vom persönlichen Kontakt. Man spielt Fußball mit Freunden, verfolgt gemeinsame Ziele, schmiedet Pläne und erlebt emotionale Momente. Nimmt man einem Kind diese Erlebnisse, wird es dem Fußball vermutlich den Rücken kehren und sich anderen Dingen zuwenden. Gerade jetzt müssen unsere Vereine den Kontakt zu allen halten, die am Fußball aktiv beteiligt sind, insbesondere zu den Kindern und Jugendlichen als wichtige Basis für die Zukunft der Vereine. Das ist im Moment besonders schwierig und hier sind kreative Ansätze gefragt. Es ist schön zu sehen, was sich hier in unseren Vereinen alles bewegt. Entscheidend ist die gemeinsame Vorfreude auf das, was nach Corona kommen wird.“
Das Ergebnis der erwähnten FuPa-Umfrage verschiebt sich je nach befragter Gruppe: So sehen die Schiedsrichter den Mangel an Unparteiischen und die Gewalt auf den Plätzen als größeres Problem als z.B. Vereinsfunktionäre – überrascht Sie das als ehemaliger Schiedsrichter?
„Nein, keinesfalls. Natürlich fehlen auch uns in Württemberg Schiedsrichter, weil wir die gleichen Entwicklungen wie allgemein im Ehrenamt feststellen. Langjährige Schiedsrichter leiten unheimlich viele Spiele in einer Saison, weit über die Sollzahl hinaus. Hört solch ein Schiedsrichter aus Altersgründen auf, müssen wir mehr als einen neuen Schiedsrichter fürs Pfeifen begeistern, um die gleiche Anzahl an Spielen zu besetzen. Zudem ist Gewalt auf dem Fußballplatz ein absolutes No-Go, das ich auf das Schärfste verurteile. Mit dem beliebten Erklärungsansatz der „Emotionen“ hat das nichts zu tun. Dennoch muss man hier ganz klar zwei Dinge feststellen: Wir sind in Württemberg vergleichsweise sehr gut aufgestellt, was unser Schiedsrichterwesen angeht. Und auch körperliche Gewalt auf dem Platz ist eine absolute Ausnahmeerscheinung.“