Der Frust ist zu spüren | Württembergischer Fußballverband e.V.

Das Mittwochs-Interview Schiedsrichter-Obmann Markus Teufel

Der Frust ist zu spüren

Das Mittwochs-Interview Schiedsrichter-Obmann Markus Teufel schlägt Alarm. Teufel spricht über fehlende Unparteiische, über die Auswirkungen und darüber, wie die Misere besiegt werden kann.

SÜDWEST PRESSE: Herr Teufel, seit Jahren fehlen Schiedsrichter – diese Problematik ist nicht neu. Hat die Corona-Pandemie aber die Lage im Bezirk Nördlichen Schwarzwald verschärft?
Markus Teufel: Sicherlich hat Corona die Situation bei uns in der Schiedsrichtergruppe nicht verbessert. Denn Pandemie hat den SR-Kameraden/innen gezeigt, dass es Alternativen gibt und man auch ohne Fußball am Wochenende überleben kann. Erfreulich ist aber, dass wir kaum Abgänge durch die Pandemie haben, jedoch stellen wir fest, dass die Leute zeitlich geringer verfügbar sind und in gewisser Weise unflexibel geworden sind. Sie sind nur noch einmal am Wochenende verfügbar, statt mehrmals. Vor Corona haben einige Schiedsrichter bis zu vier Spiele am Wochenende gepfiffen.

Wie steht der Bezirk im Vergleich zu anderen Bezirken da?
Wir sind im Mittelfeld aller 39 Schiedsrichtergruppen. Trotz des Zusammenschlusses der beiden Gruppen Horb und Freudenstadt entwickelte sich die Anzahl nicht positiver. Eine Stagnation ist erkennbar.

Im Bezirk Calw konnten in der Hinrunde nicht alle Spiele der Reserve besetzt werden. Droht ein ähnliches Bild auch im Bezirk Nördlicher Schwarzwald?
Reservemannschaften und zweite Mannschaften der Kreisliga A und B können wir schon seit gut fünf Jahren nicht mehr besetzen. Im Jugendbereich besetzen wir die Partien noch ab der D-Jugend bis zur A-Jugend, allerdings auch nicht jedes Wochenende alle Spiele durchgängig. Daher wird es eine Frage der Zeit, bis wir priorisieren und rotieren müssen. Im Aktivenbereich wird es sicherlich zur Rückrunde schon die ersten Spiele ohne geprüfte Schiedsrichter geben.

Im Aktivenbereich wird es sicherlich zur Rückrunde schon
die ersten Spiele ohne geprüfte Schiedsrichter geben.

Markus Teufel Schiedsrichter-Obmann

Im Herbst 2021 hat die Schiedsrichtergruppe Nördlicher Schwarzwald in einem Pilotprojekt mit verkürzter Ausbildungszeit zum Neulingskurs nach dem Motto „Learning by doing“ eingeladen. Wie fällt Ihr Fazit aus?
Sehr positiv. Die drei Schiedsrichtergruppen Calw, Böblingen und NSW haben hervorragend zusammengearbeitet. Es gab wenig Aufwand für die Prüflinge und es gab einen guten Mix aus modernen Medien wie Onlinetools, Onlineunterricht, Präsenzveranstaltungen und Praxisteilen. Natürlich war die Resonanz leider frustrierend, da wir mit fünf Teilnehmer im Bezirk NSW gestartet sind, lediglich vier zur Prüfung erschienen sind. Insgesamt haben gerade mal 15 Teilnehmer für alle drei SR-Gruppen teilgenommen. Enttäuschung und Frust ist bei allen Mitwirkenden zu spüren, da Ressourcen – Zeit und Manpower – in die Organisation gesteckt wurden wie Schulungslokal, Betreuung der Spieleinsätze durch Paten und Zuteilung eines Lehrwarts.

Also wird in Zukunft auch an dieser verkürzten Ausbildungszeit festgehalten?
Auf jeden Fall, der aktuelle Kurs ist in Planung und soll im März erfolgen. Die Grundlage wird weiterhin das neue Modell sein.

Das Motto heißt: „Learning by doing“. Können Sie erklären, wie die Schiedsrichterarbeit der Novizen in der Praxis aussehen wird?
Das bedeutet, dass die Teilnehmer in der ersten Ausbildungsphase eine Basis-Ausbildung in der Theorie bekommen. Danach erfolgt eine Anwendung der Basiskenntnisse in drei Spielen im unteren Jugendbereich. Danach folgt Phase II mit einer theoretischen Aufbauphase und intensiven Auseinandersetzung mit den Regeln. Durch die praktische Phase haben es die Teilnehmer leichter, die wichtigen Regeln 12 und 13 zu verarbeiten und mit der Praxis zu verknüpfen, weil sie selber Erfahrung gesammelt haben und sich die Situationen vorstellen können. Ebenso können sie Brücken bauen zwischen Theorie und Praxis. Hintergrund für dieses Modell ist, dass der Kulturschock nach Abschluss vom Neulingskurs sehr groß für manche Teilnehmer war, da ihnen die praktische Vorstellung gefehlt hat und die Teilnehmer komplett überfordert waren mit der Administration des Spiels. Ebenso werden die Teilnehmer von erfahrenen Schiedsrichtern bei diesen drei Spielen begleitet und betreut, um frühzeitiges Feedback zu bekommen. Dieses Modell ist quasi wie begleitetes Fahren.

Nur vier neue Schiedsrichter konnten neu gewonnen werden. Ist das nur ein kleiner Tropfen auf dem heißen Stein?
Eher nein, die Abgänge aufgrund geänderter Perspektiven wie Studium, Ausbildung, anderer Interessen und Schiris, die aufgehört haben, sorgen dafür, dass wir nun sogar weniger Schiedsrichter haben.

Die Gesamtzahl der Schiedsrichter beläuft sich derzeit auf rund 140 Schiedsrichtern. Welche Vereine stellen im Bezirk sogar einen Überschuss an Schiedsrichtern da?
Positive Vereine in unserem Bezirk sind beispielsweise die SG Empfingen, SV Baiersbronn, SV Mitteltal-Obertal und der SV Baisingen.

Und welcher Verein ist das größte schwarze Schaf – mit den wenigsten Schiedsrichtern?
Schlusslichter, die keine oder nur einen Schiedsrichter stellen sind der SV Tumlingen-Hörschweiler, der FC Holzhausen und der FC Horb. Diese Vereine sind aber nur stellvertretend für nochmals 15 bis 20 Vereine in unserem Bezirk. Ich könnte somit ne ganze DIN A4-Seite füllen.

Niemand möchteder Buhmann sein
und sich mit Aggressionen konfrontiert sehen.

Markus Teufel Schiedsrichter-Obmann

Was ist bei diesen Vereinen das konkrete Problem?
Eine pauschale Ursache lässt sich nicht benennen. Die Ursachen sind vielschichtig wie zum Beispiel fehlende Strukturen im Verein. Es gibt niemanden, der sich für die eigenen Schiedsrichter verantwortlich fühlt und deren Belange/Wünsche gegenüber dem Vorstand kommuniziert. Ein großer Punkt scheint auch fehlendes Interesse und reduzierte Priorisierung für dieses Ehrenamt zu sein. Auch fehlende PR ist ein Grund, sprich, wenn die eigenen Schiedsrichter wie Inventar, aber nicht, wie eine wertvolle Ressource wahrgenommen werden, so dass diese unter dem Radar laufen und keine Erwähnung in der Vereinszeitschrift finden. Die Weiter- so-Mentalität stellt auch ein Problem da. Denn, warum sollen wir was ändern, bis dato kam ja immer ein Schiedsrichter am Wochenende. Daher gibt es ja keinen Bedarf etwas zu ändern.

Vereine, die die Sollzahl an Schiedsrichtern im Verein nicht erreichen, werden mit einer Geldstrafe belastet. Sind die Strafen noch zu gering, sodass eine Erhöhung, die schmerzhaft ist, erfolgen muss?
Besonders unter Corona leiden die Vereine schon sehr aufgrund fehlender Einnahmen und die Kassen sind leer, ob es das Allerheilsmittel ist, die Strafen in der jetzigen Zeit zu erhöhen, stelle ich infrage. In meinen Augen macht es der Mix aus finanziellen Strafen und der gezielten Ansprache durch die Vereine und einem Kulturwechsel sowohl auf dem Platz als auch in der Gesellschaft, dass Schiedsrichter keine Bauernopfer, sondern ein unersetzbares Puzzleteil sind, damit der Spielbetrieb aufrecht gehalten werden kann. Es ist schade, dass die Vereine nicht das Angebot der SRG-NSW für Infoabende nutzen. Sehr gerne kommen wir direkt zu den Vereinen/Mannschaften und stellen das Ehrenamt „Schiedsrichrerei“ vor. Seit meiner Amtszeit in 2015 wurde dieses Angebot nur von einer geringen Anzahl an Vereinen genutzt. Ein Verein mit einem Übersoll an Schiedsrichtern wird mit jedem weiteren Unparteiischen mit 150 Euro belohnt. Strafen für Vereine ohne Schiedsrichter in unserem Bereich liegen generell zwischen 1500 bis 4000 Euro je nachdem wie viele Mannschaften der Verein im Spielbetrieb gemeldet hat.

Auffällig ist auch, dass es im Altersbereich 31 bis 50 die wenigsten Schiedsrichter gibt. Wie erklären Sie sich diese Zahl?
In diesem Altersbereich hat die Familienplanung Priorität. Zudem hat sich der Fokus verändert. Vor allem hat die berufliche Karriere Vorrang. Und ein Spieler, der 15 Jahre aktiv war, ist froh, wenn er im Fußballruhestand keine permanente Verpflichtung am Wochenende hat. Er nutzt die Zeit dann auch mal für andere Hobbys. Ein ganz großer Punkt ist natürlich, die herrschende Respektlosigkeit auf dem Feld. Niemand möchte der Buhmann sein und sich mit Aggressionen konfrontiert sehen, die vereinzelt gegenüber den Schiedsrichtern herrschen.

Was wollen Sie in Zukunft unternehmen, um diese Altersklasse zu stärken?
Gute Frage. Leider gibt es kein Patentmittel, weil sonst würden es ja alle Schiedsrichtergruppen so machen, da alle dieselben Herausforderungen haben. Ich denke, ein Mix aus einer gezielten Ansprache von Fußballern in Reservemannschaften und AH-Teams würde schon weiterhelfen. Zudem muss Werbung im Bekanntenkreis gemacht werden. Wichtig wäre auch noch, den Austausch mit Vereinen zu suchen.